Wer kennt sie nicht, Leo’s Papageien-Show ?
Hier die Geschichte von den Macher der Show.
Leopold Stegmaier
Seit 30 Jahren mit Papageien unterwegs –
doch die Flying Leotaris sind noch nicht vergessen!
„Die ‚Sechs Leotaris‘ sind fliegende Menschen von Format, die zu begeistern vermögen und deren Darbietung es auch nicht an exzentrischen Momenten mangelt“, schrieb Dr. Gerhard Eberstaller im Mai 1974 in unserer Circus-Zeitung in einer Besprechung der Weltpremiere des Österreichischen National-Circus von Elfi Althoff-Jacobi. Er ahnte nicht, dass die führenden Köpfe der Leotaris, Leopold Stegmaier und seine bulgarische Ehefrau Magdalena, ausgerechnet in jener Saison die Weichen für eine Zukunft ohne Flugtrapez, doch mit fliegenden Tieren, mit Papageien nämlich, stellen sollten. Aber bevor wir darauf eingehen, lassen wir Leopold Stegmaier über seine Familie berichten.
Die Flugnummer der Leotaris wurde zu Beginn des letzten Jahrhunderts von Leopolds Urgroßvater gegründet, dem Ungarn Leopold Mattausch, der mit seiner Frau, einer gebürtigen Berlinerin, oft in Russland gastierte. Beider Tochter Fanny Mattausch arbeitete mit den Eltern am Flugtrapez und war mit dem Russen Alexander Serge liiert. Ihre Tochter Eugenia, also die Mutter von Leopold Stegmaier, wurde 1915 geboren.
Im Jahre 1925 kamen die Leotaris zum Circus Krone, dem sie bis 1942 treu blieben. Mehrfach änderten sie dort ihr Repertoire, zeigten zeitweise auch Überkreuzflüge. Und bei Krone lernte die junge Eugenia ihren zukünftigen Mann kennen, ein Mitglied der Schleuderbrett-Truppe Emil Asgard. Sie heirateten, und am 30. April 1936 erblickte Sohn Leopold das Licht der damals unfreundlichen Welt. Unfreundlich, weil zum Beispiel der Name „Leotaris“ zu ausländisch klang, so dass sie bis Kriegsende als Stegmaier-Truppe auftreten mussten. Und unfreundlich, weil Leos Vater und andere Truppenmitglieder zu Kriegsbeginn eingezogen wurden. Daher stellten die verbliebenen Artisten ihr Repertoire um und entwickelten jenen Stil, den sie bis zuletzt beibehielten, das heißt weitgehend ohne Fänger, sondern Flüge von Trapez zu Trapez.
Während der Krone-Jahre führten winterliche Engagements die anfangs noch zehn (!) Leotaris unter anderem nach England, zum Beispiel zum Jahreswechsel 1933/34 nach Islington in den Royal Agricultural Hall Circus, wo sie als „the most daring aerial act“ ausgezeichnet wurden, wie wir im September 2004 in der Fachzeitschrift „King Pole“ lesen konnten.
Leopold verbrachte seine ersten sieben Lebensjahre in Berlin, wo die Familie damals ein Haus besaß. Anschließend ist er mitgereist, als die Leotaris mit dem Circus Gebrüder Belli auf Tournee gingen. 1948 erlebte der 12-jährige Leo sein Debüt am fliegenden Trapez: „Da musste ich noch ans Trapez herangehoben werden“, erinnert er sich heute. In jene Belli-Zeit fielen auch Dreharbeiten für den Film „Feuerwerk“, in dem die mittlerweile sieben Leotaris doubelten.
Die nächsten Jahre führten die Leotaris durch die ganze Welt ... mit Belli ging es 1956 in die Türkei und in den Libanon; später folgten Gastspiele in Neuseeland und Südafrika, und dann lockte die Neue Welt mit drei Jahren (1962 bis 1964) in den USA unter anderem beim Hamid Morton Circus, wo sie manchmal auch unter freiem Himmel arbeiteten. 1967 und 1972 traten sie im Blackpool Tower Circus auf, und wenn Leopold an englische Gastspiele zurückdenkt, fallen ihm verschiedene dortige Galas ein, zum Beispiel 1966 eine World Cup Gala während der Fußballweltmeisterschaft. Noch lieber denkt er aber an dreieinhalb italienische Saisons (September 1968 bis Ende 1971) zurück, weil er dort im Circo Liana, Nando & Rinaldo Orfei seine spätere Frau Magdalena traf: Sie gehörte zu der rein weiblichen bulgarischen Schleuderbrett-Truppe Dobritsch ... so wiederholte sich die Geschichte, denn sein Vater war ja bekanntlich auch Schleuderbrett-Artist gewesen. Ende 1971 heirateten sie in Magdalenas Geburtsstadt Sofia, und 1977 wurde ihr einziger Sohn geboren. Da er jedoch privat aufwuchs (erst bei den Großeltern, später im Internat), entstanden keine circensischen Ambitionen, sondern er ist ein „Privater“ geblieben beziehungsweise geworden. Angesichts der heutigen Probleme in der Circuswelt kommentiert sein Vater diese Entwicklung eher gelassen.
Auch das ZDF entdeckte die Leotaris, 1974 für seine Sendung „Manege frei“, die im Chapiteau von Franz Althoff sen. aufgezeichnet wurde. Am 4. Dezember 1990 konnten wir diesen Auftritt noch einmal sehen, nämlich im Rahmen von „Ollies Artistenshow“.
Doch zurück zur Saison 1974, als die Leotaris Elfi Althoff-Jacobi auf deren ersten Österreich-Tournee begleiteten. Zu sechst waren sie damals, natürlich Leopold und Magdalena, außerdem Leopolds Cousine Jenny und ihr italienischer Lebensgefährte Franco di Angelo (Leopolds Lehrjunge), Flieger Donald Thiel und der Komiker Hans Köhler. Sie arbeiteten an vier Trapezen, jeweils zwei parallel zueinander, und nur für zwei Tricks (Leopolds Eineinhalbfacher mit verbundenen Augen sowie sein Doppelsalto) wurde ein Fänger benötigt, nämlich Hans Köhler nach Kostümwechsel in seriösem Outfit.
In jenem Programm war auch die rumänische Familie Dermenji mit mehreren Dressuren engagiert, mit Bären und vor allem mit einer großen, artenreichen Tierrevue. Da Leopold Stegmaier zwischen Vater Sergiu Dermenji und Frau Direktor öfter dolmetschen musste, ergab sich ein Kontakt zu der rumänischen Familie ... man plauderte über Tiere, und so entstand der Gedanke, neben Flugtrapez und Jennys Vertikalseil eine dritte Nummer zu erarbeiten, eine Kleintierrevue, vorzugsweise mit Papageien. Zwei Papageien erhielten die Stegmaiers von Sergiu Dermenji, darunter die mittlerweile 37-jährige Lora. Andere Tiere wurden hinzugekauft, und der rumänische Kollege stand mit Tipps zur Seite.
Nach der Sommersaison 1975 bei Angel Cristo in Spanien gastierten die Leotais zur Jahreswende 1975/76 in Paris im Cirque d’Hiver. Dort schlug das Schicksal zu, denn bei einem Unfall riss Leopolds Achilles-Sehne, und er war eineinhalb Monate lang in Gips. Würde er je wieder von Trapez zu Trapez fliegen können?
Doch die inzwischen fertig dressierten Papageien, sie flogen erstmals, quasi nur im Vorprogramm im bereits aufgebauten Zentralkäfig, aber immerhin! Sie flogen direkt in das Herz von Frau Telse Grell, der Chefin des Hamburger Hansa-Theaters, die sich das Pariser Progamm anschaute und die Stegmaiers um eine Offerte bat. So geschah es, dass die 794. Hansa-Schau (14. August bis 30. September 1976) von Miss Magdalenas „entzückender Dressur en miniature“ (Programmheftzitat) eröffnet wurde. Noch zwölf weitere Gastspiele im Hansa-Theater sollten folgen, zum letzten Mal im April 2001. Ohnehin waren Miss Magdalenas Papageien (zeitweise mit Tauben und einem Pudel) viel gefragt – komplette Circussaisons (1985 Benneweis, 1992 Achille Zavatta, 1993 Arnardo, 1997 Finlandia) wechselten sich ab mit Jahren in Freizeitparks, so 1980 und 1981 das Taunus-Wunderland oder 1999 und 2000 der Berliner Spreepark, wo diese Dressur der einzige Programmpunkt in einem riesigen Chapiteau war. Nicht zu vergessen Winterengagements im Krone-Bau sowie diverse Galas und Fernsehaufnahmen, sogar in Japan und 1979 bei „Stars in der Manege“ mit Uschi Glas: „Ein Papagei stahl Uschi Glas die Schau“, titelte seinerzeit „Das goldene Blatt“.
Aber wie ging es ohne Magdalena und Leopold mit den Flying Leotaris weiter? Sie absolvierten noch zwei Saisons in den Niederlanden bei Toni Boltini, 1976 als Leotaris und 1977 als Rialtos, bevor sie sich auflösten. Jenny und Franco di Angelo machten sich selbstständig (sie am Vertikal- und er am Schwungseil), haben sich aber mittlerweile getrennt: Jenny wohnt in Hamburg, und Franco hat das Restaurant seiner Eltern in Triest übernommen. Hans Köhler kehrte seinerzeit nach Lüneburg zurück, und Donald Thiel lebt heute in Lübeck. Just am Tage vor unserem Gespräch hat er seinen früheren Kollegen Leopold im Hansapark besucht.
Wieso im Hansapark? Eigentlich wollten sich die Stegmaiers vor einigen Jahren in ihrer neuen Heimat München zur Ruhe setzen. Der Camping wurde verkauft, einige Papageien waren gestorben: „Wir hatten so gut wie Schluss gemacht“, erzählt der rüstige 70-Jährige. Seine Mutter war 1998 verstorben, und sein schwer kranker Vater wurde von Magdalena bis zu seinem Tod 2005 gepflegt.
Aber ein Anruf von Agent Karl-Heinz Reichenbach brachte Anfang 2004 Leopolds Circusblut wieder in Wallung: Ob er sich vorstellen könne, im Hansapark Sierksdorf an der Ostsee in einem kleinen Theatersaal seine Papageien vorzustellen? Ein Camping sei nicht nötig, denn Hansapark-Artisten können im Apartmenthaus des Parks wohnen. Leopold erwarb neue Tiere, unter anderem zwei aus dem Holidaypark von Lilly Schneider, geb. Badstübner. Seine publikumsnahe Art, die Tiere zu präsentieren und auch vor und nach den Shows für Plaudereien mit den Zuschauern und Streicheleinheiten für Lora (ja, die von den Dermenjis) bereitzustehen, kommt im Hansapark sehr gut an. Drei Aras, zwei Kakadus und vier kleine grüne Nanday-Sittiche faszinieren die Gäste drei- bis viermal täglich im dschungelmäßig hergerichteten kleinen Theater (100 bis 120 Personen finden Platz) – wir freuen uns auf ein Wiedersehen mit „Leo’s Papageien-Show“ 2007, seiner vierten Saison im Hansapark!
Quelle: Circus Zeitung Nr. 11 / 2006
Autor: Achim Schlotfeldt